AUF DEN SPUREN DER IROKESEN

22. März bis 4. August 2013 in Bonn | 18. Oktober 2013 bis 6. Januar 2014 in Berlin

Nur wenige der in die Hunderte zählenden indigenen Völker Nordamerikas beschäftigten die europäische Vorstellung in dem Ausmaß, wie es die Irokesen taten. Diese Faszination gründet sich vor allem auf die herausragende Rolle, die die Fünf (und später Sechs) Nationen im kolonialen Nordamerika des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts spielten. Ihr Ruf als gefürchtete Krieger und geschickte Diplomaten fand seinen Niederschlag nicht zuletzt auch in der Romanliteratur. Das europäische Interesse an den Irokesen ging aber schon immer weit über die Beschäftigung mit ihren politischen und militärischen Leistungen hinaus, und die intellektuelle Auseinandersetzung mit der irokesischen Kultur prägte nicht nur die Geschichte der Ethnologie, sondern inspirierte auch die Friedens- und Frauenbewegung und hinterließ nachhaltige Spuren in der Populärkultur.

Als die Holländer und Franzosen in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in das Innere Nordamerikas vorstießen, lebten die Bodenbau treibenden Irokesen in Dörfern aus rindengedeckten Langhäusern, die jeweils von Großfamilien bewohnt waren. Während die Frauen Mais, Bohnen und Kürbis pflanzten, trugen die Männer durch Jagd und Fischfang zum Lebensunterhalt bei. Wie ihre Selbstbezeichnung Haudenosaunee andeutet, betrachteten sich die Irokesen aber auch im übertragenen Sinn als „Leute des Langhauses”: Ihre intertribale Konföderation wurde metaphorisch ebenfalls als Langhaus angesehen, in dem die Mohawk und Seneca die Rolle der Hüter der östlichen und westlichen Tore übernahmen, während die Onondaga als Bewahrer der zentralen Feuerstelle fungierten; zwischen ihnen, als jüngere Brüder, siedelten die Oneida und Cayuga. Die Gründung der Liga unter dem Großen Gesetz des Friedens hatte die vorangegangenen Stammeskriege beendet und durch die Bündelung der Stärke der fünf Gruppen (zu denen um 1722 die Tuscarora als sechstes Mitglied stießen) die Grundlage für die territoriale Expansion und militärische Überlegenheit der Irokesen über ihre einheimischen Nachbarn gelegt.

Die Ausstellung

Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung der irokesischen Kultur von ihren Ursprüngen bis hin zu ihrer lebendigen Artikulation im heutigen Kanada und den Vereinigten Staaten nach. Sie folgt der wechselvollen Geschichte der Irokesen durch die von Krieg, Handel und christlicher Missionierung gekennzeichnete Kolonialzeit bis zum Auseinanderbrechen der Irokesenliga im Zuge der Amerikanischen Revolution, durch das von Landverlust, Isolation auf Reservationen und Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft geprägte 19. Jahrhundert bis zu den Autonomiebestrebungen und dem Wiedererstarken indigener kultureller Identität im 20. und 21. Jahrhundert. Auf den Spuren der Irokesen führt erstmals bildliche Darstellungen, ethnografische Objekte und Beispiele irokesischer Gegenwartskunst der bedeutendsten Sammlungen Europas, der Vereinigten Staaten und Kanadas zusammen.

«Es kann sicher behauptet werden, dass die Haudenosaunee sich heute über ihre Vielfalt definieren» Richard W. Hill, Schriftsteller und Künstler

In Zusammenarbeit mit irokesischen Künstlern, Kuratoren und Intellektuellen sowie indigenen Museen konzipiert, strebt die Ausstellung nach einer vielschichtigen Darstellung sowohl der westlichen Vorstellungen irokesischer Kultur über die Jahrhunderte hinweg, als auch der zeitgenössischen indigenen Interpretationen irokesischer Geschichte und kultureller Identität. Wie der Tuscarora-Künstler und Schriftsteller Richard W. Hill es ausdrückte, „kann sicher behauptet werden, dass die Haudenosaunee sich heute über ihre Vielfalt definieren”, da jede Generation „zu dieser vielschichtigen Definition beiträgt, indem sie den künstlerischen Ausdrucksformen der Vergangenheit und den Überlieferungen ihrer Vorfahren ihre eigenen Lebenserfahrungen hinzufügt.”
Mit Leihgaben aus Kanada, den USA sowie zahlreichen Museen Europas begibt sich die Ausstellung zum ersten Mal auf eine umfassende Spurensuche durch die Jahrhunderte. Historische Gemälde und Zeichnungen, kostbare ethnografische Objekte und herausragende Beispiele irokesischer Gegenwartskunst erzählen die wechselvolle Geschichte der Irokesen. Die groß angelegte Ausstellung reflektiert diese Vielfalt und kontinuierliche kreative Anpassung der Irokesen an sich ständig verändernde Lebensbedingungen mit der Präsentation von etwa 500 Exponaten auf ca. 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche im Martin-Gropius-Bau in Berlin, der zweiten Ausstellungsstation nach der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.

Kuratoren und Mitarbeiter dieser Ausstellung

Die Ausstellung wird von Dr. Sylvia Kasprycki kuratiert, Spezialistin für Ethnologie, Geschichte und Kunst des indigenen Nordamerika. Neben Prof. Dr. Christian Feest, ehemaliger Direktor des Wiener Völkerkundemuseums, ist es darüber hinaus gelungen, wichtige irokesische Wissenschaftler und Künstler in Kanada und den USA zur Mitarbeit zu gewinnen, darunter auch Dr. Thomas Hill, den ehemaligen Direktor des Woodland Cultural Centre in Brantford, Ontario, und auf amerikanischer Seite Peter Jemison, den Leiter der Ganondagan State Historic Site in Victor, New York. Letzterem ist auch die Anregung zu verdanken, zur Ausstellung ein irokesisches Langhaus auf dem Bonner Museumsplatz zu errichten.

Medienecho zur Ausstellung in Bonn

„In Bonn präsentiert sich ein ethnologisches Großprojekt mit ungeahnten Facetten und spektakulären Dimensionen, wie es noch nie zu sehen war.“
(Die Welt, 22. März 2013, Berthold Seewald)

„Das Spektakuläre der Bonner Schau ist der Umstand, dass ihre 500 Exponate zu einem Drittel aus den USA, zu einem Drittel aus Kanada und zu einem Drittel aus Europa stammen. Nur die "Neutralität" Bonns ermöglicht ihre Zusammenführung.“
(Die Welt, 22. März 2013, Berthold Seewald)

„Eine verdienstvolle Ausstellung für junge wie ältere Indianer-Freunde.“
(Kölner Stadt-Anzeiger, 23. März 2013, Rüdiger Heimlich)

„Ziel der Ausstellung ist es, die Entwicklung der irokesischen Kultur in Nordamerika nachzuzeichen – gleichzeitig sollen auch Klischees und europäische Zuschreibungen sichtbar werden. Es ist das erste Mal überhaupt, dass eine Ausstellung historische Gemälde und Zeichnungen ebenso wie Gegenwartskunst und ethnographische Objekte aus US-amerikanischen, kanadischen und europäischen Sammlungen in einer großen Schau versammelt. ...eine faszinierende Ausstellung, am Ende sogar mit einem utopisch hoffnungsvollen Ausblick.“
(ARTE Journal, 25. März 2013 um 12:50 und 19:10 Uhr, Marco Stahlhut)

„Über 500 Exponate aus aller Welt hat das Museum zusammengebracht und damit in enger Zusammenarbeit mit irokesischen Wissenschaftlern und Künstlern die allererste Gesamtschau dieser Art realisiert.“
(Rhein-Zeitung, 22. März 2013, Thomas Kölsch)

„Dass die Irokesen im Zuge eines Panindianismus seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch mal im üblichen Indianderkostüm auftreten, dass sie wie 1990 in der Oka-Krise selbstbewusst um ihre Rechte auf Land und Eigenständigkeit zu kämpfen wissen, auch das zeigt diese eindringliche und sehr anregende Ausstellung.“
(Süddeutsche Zeitung, 15. April 2013, Harald Eggebrecht)

„Dass die völkerkundliche Ausstellung ein einzigartiges, umfassendes Projekt ist, zeigt schon das traditionelle irokesische Langhaus, das auf dem Platz vor der Bundeskunsthalle aufgebaut wurde.“
(Corinna Güsken, April 2013, Seconds)