STUDIO BONN. Diskurs in der Bundeskunsthalle

Tauschwerte
VERTRÄGE FÜR DIE ERDE

Mittwoch, 15. Juni 19 Uhr
Live im Forum

mit
JULIA WATSON
CATPC (Ced'Art Tamasala und Mathieu Kasiama mit Renzo Martens)
YOUSSEF NASSEF

Moderation: Kolja Reichert
In englischer und französischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung

Nach nur zweihundert Jahren hat sich die kapitalistische Art des Wirtschaftens als nicht zukunftsfähig erwiesen: Sie zerstört ihre eigenen ökologischen und sozialen Grundlagen. Indigene Wirtschaftsweisen haben dagegen jahrtausendelang funktioniert – und werden zunehmend als Lösungen für die Bewältigung des Klimawandels entdeckt. Studio Bonn stellt drei Modelle globaler Kooperation vor, die Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit verbinden.

Die Designexpertin Julia Watson hat indigene Architekturen auf der ganzen Welt recherchiert ("Lo-TEK. Design by Radical Indigenism", Taschen 2021). Damit der Wissenstransfer nicht zu einseitiger Ausbeutung führt, hat sie ein neues Geschäftsmodell erarbeitet: Ein mit Experten für indigenes Recht entwickelter, mündlicher Smart Contract erlaubt via Blockchain Unternehmen, die indigenes Wissen nutzen, automatische Gewinnbeteiligungen von Communities. "The Symbiocene" heißt das Projekt, das derzeit vom Londoner Barbican in der Ausstellung "Our Time on Earth" präsentiert wird.

Der Diplomat und Informatiker Youssef Nassef koordiniert seit 23 Jahren die Resilienzarbeit im System der Vereinten Nationen, nachdem er zuvor zehn Jahre lang als Diplomat und Unterhändler zum Klimawandel tätig war. Desillusioniert von den Auswirkungen des postindustriellen Revolutionskrieges auf die Biosphäre nutzen er und die neue Bonner UN-Initiative Resilience Frontiers das Wissen von Schriftstellern, Filmregisseuren und Datenanalysten, um unsere Einstellungen, Gedanken und Handlungen auf die drohende Zerstörung des Planeten auszurichten.

Auf einer ehemaligen Palmöl-Plantage in Lusanga, Kongo, arbeiten Ced'Art Tamasala und Mathieu Kasiama mit dem Kunstkreis Kongolesischer Plantagenarbeiter*innen (CATPC) die Geschichte kolonialer Ausbeutung durch Palmöl- und Kakaoplantagen auf. Die Schokoladen-Skulpturen von CATPC waren unter anderem im New Yorker SculptureCenter ausgestellt. Am Vortag von Studio Bonn werden CATPC mit dem Künstler Renzo Martens auf der Kunstmesse Art Basel 300 NFTs einer Kraftfigur verkaufen, die 1931 im Rahmen des Pende-Aufstands gegen belgische Kolonialbeamten geschnitzt wurde und sich heute im Kunstmuseum von Virginia befindet. Die Einnahmen dienen dem Rückkauf von Land und der Wiedereinführung kulturellen Lebens und nachhaltiger Landwirtschaft. In der Dokuserie "Plantations and Museums" erkunden Tamasala und Mathieu die Geschichte der Skulptur und kultureller Ausbeutung allgemein.

Abb.: Film still from White Cube, Renzo Martens. Copyright © Human Activities, 2020
CATPC members (from left) Olele Mulela Mabamba, Huguette Kilembi, Mbuku Kimpala, Jeremie Mabiala, Jean Kawata, Irene Kanga, Ced’art Tamasala and Matthieu Kasiama

Glossar: Blockchain, NFT & Co.

Blockchain
Ein dezentrales kollektives Kontobuch, das Geldgeschäfte ohne Banken oder Notare erlaubt. Alle Transaktionen sind öffentlich einsehbar. Was einmal eingetragen ist, kann nie mehr verändert werden. An diese Technologie knüpfen sich große Hoffnungen für ein demokratisches und effektiveres Finanzsystem. Sie steht aber auch in der Kritik: wegen des hohen Energieverbrauchs, der großen Kursschwankungen und der erschwerten Kontrolle durch Staaten. Es gibt unzählige Blockchains, die bekanntesten sind die Bitcoin-Blockchain (seit 2009) und die Ethereum-Blockchain (seit 2015), die auch Softwareanwendungen und NFTs erlaubt.

Wallet
Der digitale Geldbeutel auf der Blockchain, in dem sich Vermögen in Kryptowährungen und NFTs speichern lassen.

NFT (Non Fungible Token)
Ein einzigartiger Blockchain-Eintrag, der als Eigentumszertifikat für digitale wie analoge Güter dienen kann. Für mit NFTs versehene digitale Kunst, Memes, Musikstücke oder Sportsammelkarten werden teils Millionenbeträge gezahlt. Sogar die Uffizien und das Wiener Belvedere haben schon Fotografien von Werken ihrer Sammlungen als NFTs verkauft. Sehen Sie zum Thema auch STUDIO BONN: TAUSCHWERTE: Wem gehört die Kunst? mit u. a. Eike Schmidt, dem Direktor der Uffizien. Auch ENS-Adressen sind durch einen NFT verbürgt.

ENS (Ethereum Name Service)
Eine öffentlich einsehbare Adresse, die mit einer Website oder einer Wallet verknüpft werden kann. Wallet-Adressen sehen zum Beispiel so aus: 0xFC25EF3F5B8A186398338A2ADA86715FBA2D695E. ENS-Adressen sehen dagegen zum Beispiel so aus: bundeskunsthalle.eth. ENS-Adressen sind ein wichtiger Baustein für das Web 3.

Smart Contract
Ein auf der Blockchain laufender Algorithmus, der etwa auf bestimmte Zahlungseingänge automatisch bestimmte Gewinnanteile ausschüttet. Auf Blockchain basierende Software ist aus Smart Contracts gebaut.

DAO (Dezentrale Autonome Organisation)
Zusammenschlüsse von Menschen, die sich anonym abstimmen, um gemeinsam Vermögen oder Organisationen zu verwalten. Die PleasrDao ersteigerte ein NFT von Edward Snowden. Die CityDAO plant eine Stadt im US-Bundesstaat Wyoming. Wyoming war 2021 die erste Legislative, die DAOs rechtlich GmbHs und NGOs gleichstellte.

Web 3
Wenn wir im sogenannten Web 2.0, wie wir es heute kennen, Inhalte erzeugen, teilen und kommentieren, dann in der Regel über Plattformen wie Twitter, Facebook und YouTube. Diese analysieren und verkaufen unsere Daten und können unsere Einnahmebeteiligungen nach Belieben kontrollieren oder Inhalte oder Konten sperren. Im Web 3 vernetzen sich Nutzer direkt auf der Blockchain und bauen ihre eigenen Netzwerke und Plattformen. Das verspricht auf der einen Seite Mitbestimmung, größere Innovation und künstlerische Freiheit. Auf der anderen Seite geht damit eine verstärkte Finanzialisierung sozialer Beziehungen einher: An die Stelle des Likes tritt die Überweisung.