Im Sommersemester 2023 begannen Studierende des Masterprogramms Museumsstudien der Uni Bonn (unter der Leitung von Dr. Simon Ebert, Julia Krings (beide Uni Bonn) und Kolja Reichert (Bundeskunsthalle)) begleitend eine Kartographierung des postmodernen Erbes der einstigen Bundeshauptstadt Bonn. Gemeinsam mit den Kurator*innen der Ausstellung und dem LVR-Denkmalschutzamt nahmen wir gezielt die Eigenarten postmoderner Architektur in den Blick.
Auf Stadtspaziergängen sammelten wir Beispiele und diskutierten sie gemeinsam – was bedeutet postmodern und wie wurde dieses Phänomen im Bonn der 70er, 80er und beginnenden 90er Jahre ge- und erlebt? Unsere Suche führte uns auf soziokulturellen Pfaden quer durch die bewegten Hauptstadtjahre, die geprägt waren von Krisen, Umbrüchen und Veränderungen. Die Ölkrise zu Beginn der 70er, autofreie Sonntage, die Friedensdemonstrationen auf der Hofgartenwiese in den 80ern, eine florierende Punkszene oder die Forderungen zum Erhalt des historischen Stadtgefüges sind wichtige Fragmente im mosaizierten Fundament des aktuellen Stadtbildes wie Lebensgefühls oder der Kulturlandschaft in Bonn.
Architektonisch gerahmt wurden diese Jahre von mitunter überraschenden Schätzen, die sich vom Bonner Norden durch die Innenstadt bis in die südlichen Ausläufe ziehen – als singuläre Unikate oder im Verbund sind sie allesamt postmoderne Zeugen eines gesellschaftlichen Phänomens in unserer Stadt. Jede Zeit hat ihre architektonischen Ideale, es ist an den nachkommenden Generationen zu entscheiden, was erhalten, an was erinnert oder was gewürdigt werden wird – ein Aushandlungsprozess, der stets im Wandel begriffen ist. Wir nehmen Sie mit auf einen Rundgang, auf dem draufsteht, was drin ist: Alles auf einmal!
Wenn nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen von Jean-Luc Ikelle-Matiba, Kunsthistorisches Institut der Universität Bonn.
Kunstmuseum Bonn, Museumsmeile
von Miriam Brand
Die Bonner Museumsmeile ist ein Ensemble mehrerer Häuser, darunter das 1985 geplante und 1992 eröffnete Kunstmuseum. Der Berliner Architekt Axel Schultes, der später auch den Wettbewerb für das Berliner Bundeskanzleramt gewann, sollte ursprünglich die benachbarte Kunsthalle und das Kunstmuseum gemeinsam entwerfen.
Aus finanziellen Gründen beauftragte die Bundesregierung jedoch den Wiener Architekten Gustav Peichl mit dem Bau der Kunsthalle, der sich heute architektonisch von seinem Nachbargebäude abschottet: Ihre Fassade öffnet sich lediglich durch eine proportional winzig anmutende Öffnung für Gäste, während das Kunstmuseum auf der rechten Hand aufgeschlossen wirkt. Das verbindende Element scheint das Dach des Kunstmuseums zu sein. Es liegt wie ein Segel auf den hohen Rundstützen. Man könnte es als umgedrehte Wand verstehen, die versucht, den Raum zwischen den Museen zu überbrücken. Die starke, monumentale Formensprache der Fassade ist zugleich von einer Leichtigkeit geprägt, die sicherlich auch den Lichtkapitellen zu verdanken ist, die mit einer Ästhetik des Erhabenen spielen und an antike Säulenhallen erinnern. Zudem vereint die Fassade raumgreifende, geometrische Elemente, die das Stadtbild prägen und zum Näherkommen einladen.
Schultes architektonische Gratwanderung zwischen einladender Transparenz und geheimnisvoller Geschlossenheit scheint den Bedürfnissen eines Museums optimal zu entsprechen - Licht und Glas ermöglichen die Kommunikation von innen nach außen und umgekehrt. Dennoch bieten die mit Sandsteintapete verkleideten Betonwände Schutz und Raum für die Kunst. Die Treppenanlage im Inneren geht auf Entwürfe Michelangelos zurück. Sie ist ein szenografisches Element, das nicht nur die Bewegung des Menschen im Raum inszeniert, sondern selbst Teil der Rauminszenierung ist.
Für den Architekten war das Spiel mit Tageslicht maßgeblich. Die Lichtkomposition im Inneren und Äußeren ist fein austariert und haucht dem Museum Leben ein. Diese Reminiszenz an architektonische Typographie und ihre Übersetzung in die Jetztzeit ist wohl der prägendste postmoderne Aspekt, den das Museum nach außen trägt.
Weiterführende Literatur:
Das Kunstmuseum Bonn: "Ein Haus Aus Wand Und Licht": Ein Rundgang durch die Architektur mit Anregungen zum Sehen und Begreifen. Bonn: Kunstmuseum, 1995.
Frank, Charlotte (Hrsg.) und Axel Schultes: Axel Schultes: Kunstmuseum Bonn. 1994.
Maier-Solgk, Frank: Die Neuen Museen. Orig.-Ausg. Köln: Dumont, 2002, 80-89.
Weidner, Klaus: Das Licht fällt hinein. Architekturfotografien vom Kunstmuseum Bonn. Ausstellung im Kunstmuseum Bonn, Februar 2007.
Haus der Geschichte, Museumsmeile
von Miriam Brand
In seiner Regierungserklärung kündigte Bundeskanzler Helmut Kohl 1982 die Absicht an, in der Bundeshauptstadt Bonn eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 zu errichten. Das Bundeskabinett billigte das Grundkonzept 1985, sodass ein offener Architektenwettbewerb für das Haus der Geschichte ausgeschrieben werden konnte, das heute prominenter Teil der Bonner Museumsmeile ist.
Den Neubau konzipierte das Braunschweiger Architektenpaar Ingeborg und Hartmut Rüdiger zwischen 1988 und 1994. Auch wenn das Gebäude kein Paradebeispiel für postmoderne Architektur darstellt, weist die Fassade trotz der relativ späten Bauplanung postmoderne Züge auf. Sie setzt sich von den benachbarten Kunsttempeln der Architekten Axel Schultes (Kunstmuseum) und Gustav Peichl (Kunsthalle) ab, indem sie sich zur Adenauerallee hin orientiert. Das Gebäude lädt mit seiner arkadenähnlichen Bebauung des Bürgersteigs bewusst dazu ein, das offene Foyer geradezu beiläufig zu betreten. Klare geometrische Formen aus Glas, Stahl und Beton, schwebende Dächer oder der weitere, direkte Zugang von der U-Bahnstation aus suggerieren das Gefühl von einem Haus, das nicht im Weg steht. Das Architektenpaar spricht von einer demokratischen Offenheit des Gebäudes – das Museum der deutschen Demokratiegeschichte sollte in einer Architektur untergebracht sein, die dem Zweck dient und diesen nicht dominiert. Die Dauer− und Wechselausstellungen können übrigens eintrittsfrei besichtigt werden.
Weiterführende Literatur:
Hütter, Hans Walter (Hrsg.): ZeitRäume: Konzept, Architektur, Ausstellungen. Bonn 1994.
Flagge, Ingeborg (Hrsg.): Haus Der Geschichte: Die Architektur Des Neuen Museums Für Zeitgeschichte. Bergisch Gladbach: Lübbe 1994.
Maritim, Bonn
von Matthias Scholten
Mit wachsender internationaler Relevanz konnte Bonn den Ansprüchen einer Bundeshauptstadt bereits in den 70er Jahren nur noch bedingt gerecht werden.
Bereits bestehende Gebäude, wie die Beethovenhalle, waren für großangelegte Kongresse nicht geeignet und es mangelte an angemessenen Unterbringungsmöglichkeiten für nationale sowie internationale Gäste. Im Zuge der Erweiterungsplanungen des Parlaments- und Regierungsviertels ab 1978, welche durch einen gemeinsamen Ausschuss des Bundes, des Land Nordrhein-Westfalens und der Stadt Bonn koordiniert wurde, sollten diese sowie einige weitere Probleme angegangen werden.
Für die Umsetzung des Kongresszentrums wurde eine ungefähre Summe von 100 Millionen DM vorgesehen, die sich aus verschiedenen Kapitaltöpfen deckte, steuerte die Stadt Bonn eine Summe von 13,5 Mio. DM bei.
Der vorgesehene Bebauungsstandort sowie die seitens der Stadt als Teilinvestor vorgegebene Projektgestaltung, einer geschlossenen Randbebauung der B9 und der Überbauung der bereits existierenden Stadtbahnrampe, ließen die Einigung mit dem Hotelbetreiber Hilton platzen. Dieser plante mit einem Hochhaus als Hotelkomplex und wollte sich der Vorgabe eines riegelförmigen Baukörpers nicht fügen.
In Anbetracht einer für das Jahr 1990 in Bonn stattfindenden KSZE-Folgekonferenz erhöhte sich der Druck auf die Projektplaner um die Fertigstellung des Komplexes.
Mit der Maritim Hotelgesellschaft, deren Portfolio unter dem Motto „Tagen und Wohnen unter einem Dach“ bereits zur damaligen Zeit auf die Kombination von Hotelanlagen und Kongresszentren spezialisiert war, konnte schließlich eine Einigung erwirkt werden. Allerdings behielt sich die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Architekturbüro Hentrich, Petschnigg und Partner die Planung der Fassadengestaltung vor.
Der Termindruck der anstehenden KSZE-Konferenz erzwang eine bis heute einmalig schnelle Fertigstellung des Projektes nach nur zehnmonatiger Bauzeit, den Anlass für die erste Festivität des neuen Hotels lieferte der Jahreswechsel 1989/90.
Der riegelförmige Komplex umfasste bei seiner Fertigstellung mit 410 Zimmern und 41 Suiten das zweitgrößte Hotel sowie mit 16 Tagungsräumen und Platz für 5.000 Personen das größte Kongresszentrum Nordrhein-Westfalens. Die Kapazitäten des Komplexes waren bereits auf viele Jahre für Veranstaltungen, wie beispielsweise den jährlichen Bundespresseball, ausgebucht.
Die Hauptzufahrt zum Hotel befindet sich auf der B9 abgewandten Seite und schließt an den Robert-Schumann-Platz und die dortigen Bundesministerialbauten an. Durch den Haupteingang gelangt man in das großzügig gestaltete Zentrum des Hauses, das durch einen senkrecht aufragenden gläsern-zylindrischen Baukörper gebildet wird, der die Fassade durchbricht und den Blick auf die offen gestalteten Stockwerke ermöglicht. Die das Zentrum rahmende Gebäudefassade gestaltet sich aus polierten Steinelementen, die von großen Fensterwänden eingefasst werden. Ein innenliegendes Betonskelett fungiert als tragendes Element, dem die Fassade vorgeblendet wurde. Die Verwendung von Glas und Stein schafft ein Spannungsverhältnis, welches das äußere Erscheinungsbild einer standhaften Wand auflöst. Die Verwendung von Glas als architektonisches Gestaltungselement sowie der tiefblaue Farbton des Stahlgerüstes, der sich als Anspielung auf den Betreibernahmen verstehen lässt, sind bis heute Charakteristika der Maritim Hotelgesellschaft.
Bei der Innenausstattung wurde besonders Wert auf die Verwendung hochwertiger Baustoffe sowie bereichsspezifischer einheitlicher Stilsprachen gelegt. Dies wird besonders in den vielseitig gestalteten Gesellschaftsbereichen des Hotels deutlich, dass mit zwei Restaurants, einem Café, einer Piano-Bar und der rückseitigen Brunnenterasse viel Raum für soziale Interaktion bietet.
Auf der Grundlage der zeitgenössischen bautechnischen Möglichkeiten, vereinigte das Maritim in Bonn mit größtmöglichem repräsentativem und pragmatischem Nutzen die Funktion eines Hotels höchsten Standards sowie eines Konferenzzentrums von internationalem Format in sich, im Dienste der Bundeshauptstadt.
President Hotel, Clemens-August-Str./Reuterstr. Poppelsdorf
von Theo Wilken, Johannes Grigoleit
Die viel befahrene Clemens-August-Straße in Poppelsdorf, darunter die Autobahn: An dieser ungewöhnlichen Schnittstelle erhebt sich das President Hotel, ein Gebäude aus dem Jahr 1987, das sich in einen langen Häuserkomplex einfügt, der die Hausnummern 2-42 umfasst. Fünf Achsen gliedern den Bau, die beiden seitlichen werden dabei von rechteckigen Säulen getragen, wodurch im Erdgeschoss ein Arkadengang entsteht, der sich über die gesamte Länge der Häuserreihe fortführt. Die Mittelachse springt aus der Fassade hervor. Hier liegt auch der Haupteingang, der durch eine kurze Treppe erreicht wird.
Dieses von der Stadt Bonn zu Beginn der 1980er Jahre geplante Projekt war Teil einer großangelegten Neugestaltung des Poppelsdorfer Ortskerns. Die Neubebauung der Clemens-August-Straße sollte die nach dem Abriss der Wessel-Keramikwerke im Jahr 1977 entstandene Lücke an dieser Straßenseite schließen. Neu errichtete Wohn- und Gewerbehäuser griffen in ihrer Fassadengestaltung die typische Bauweise des Ortsteils auf. Als Lebensader Poppelsdorfs erhielt die Clemens-August-Straße ein Begegnungszentrum mit Vereinssaal, Clubraum und zwei Kegelbahnen. Zum Jahreswechsel 1988/89 hatte das Warten ein Ende und die Poppelsdorfer konnten ihren neuen Ortskern in Beschlag nehmen. Die Baumaßnahme ließ sich die Stadt einiges kosten: 19 Millionen DM schlugen allein für die Überbauung der Autobahn zu buche.
Doch zurück zur Architektur. Es fällt auf, dass bestimmte Elemente immer wiederkehrende Motive sind, darunter die farbig gestalteten Säulen, die den Arkadengang bilden, oder auch die aufgesetzten Gauben. Wenn Sie mögen, dann gehen Sie doch einmal durch den schmalen Durchgang rechts auf Höhe von Nummer 26 – 28 und schauen Sie auf die Rückseite der Gebäude. Fällt Ihnen an der Gestaltung der Balkone im Zusammenspiel mit den Gebäuderückseiten etwas auf?
Quellen:
Leyendecker, Bernhard: Poppelsdorf. Kegelbahn und Clubraum über der Autobahn, in: General-Anzeiger Bonn, 24.05.1986.
Stern, Volkhard: Güterwagen für die Steingutmanufaktur, in: General-Anzeiger Bonn. 06.02.2008.
Flagge, Ingeborg (Hrsg.): Haus Der Geschichte: Die Architektur Des Neuen Museums Für Zeitgeschichte. Bergisch Gladbach: Lübbe 1994.
Kläranlage Salierweg – Ein Klärwerk in Zeiten des ökologischen Wandels
von Julia Möller
Die großflächige Bebauung der Kläranlage am Salierweg lässt sich am besten von der nordwestlichen, spiralförmigen Rampe zur Friedrich-Ebert-Brücke überblicken: Was aus der Ferne wie ein skulptural-extraterrestrischer Landschaftspark mit grünen Hügeln, Gasometer und filigranen Glaspavillons anmutet, birgt hochkomplexe Industrieprozesse in sich, die das Bonner Abwasser durch Faultürme, Schlammverbrennungsanlagen und Nachklärbecken befördern.
Das heutige Erscheinungsbild der Anlage geht im Wesentlichen auf die umfangreichen Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen der späten 1970er bis frühen 1990er Jahre zurück. Um den steigenden Anforderungen an die Abwasserreinigung und dem Image als „dreckigste Stadt am Rhein“ zu begegnen, wurde die mechanische Abwasserbehandlung schrittweise um eine biologische Reinigungsstufe, eine Schlammverbrennungsanlage und eine chemische Reinigungsstufe ergänzt. Mit der Einführung der chemischen Reinigung reagierte die kommunale Verwaltung auf die im Sommer 1988 von Bundesumweltminister Klaus Töpfer erlassenen, drastisch verschärften Phosphat- und Stickstoffgrenzwerte pro Liter geklärten Abwassers.
Die Anti-Atom- und Umweltbewegung der 1970er und 1980er Jahre, der Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 und die Gründung eines Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für die BRD 1986 markieren Wegpunkte sich wandelnder gesellschaftlicher Anschauungen: Die Innovations- und Technikeuphorie der klassischen Moderne wird infrage gestellt und postmaterialistische, Mensch und Umwelt vereinende Gesellschaftskonzepte erhalten Zulauf – mit Folgen für die städtische Abwasserbehandlung. Auch in der (landschafts-)architektonischen Gestaltung der Anlage durch die Bonner Architekten Wilfried Pilhatsch und Till von Hasselbach manifestiert sich eine Abkehr vom Grundsatz „form follows function“ moderner Architektur hin zu einer orts- und umweltsensiblen Architekturauffassung, die zwischen Rheinufer, Industrieanlagen und Wohnsiedlung moderiert.
Weiterführende Literatur:
Dietrich, Michael: Alles klar im Bonner Norden? Die Geschichte der ersten Kläranlage Bonns, in: Bonner Geschichtsblätter 39 (1989/1992), S. 383-400
Der Oberstadtdirektor der Stadt Bonn: Kläranlage Bonn-Salierweg, Bonn 1989
Pilhatsch & Partner GbR Architekten: Bauten und Projekte, Bonn 1997
Denk, Andreas / Flagge, Ingeborg: Architekturführer Bonn, Berlin 1997, S. 77
Postmoderne an der Ecke Kaiserstrasse/Niebuhrstrasse/Arndtstrasse
von Julia Möller
An der Ecke, wo Arndtstraße und Niebuhrstraße in die parallel zur Bahn verlaufende Kaiserstraße münden, treffen neben Straßen auch architektonische Welten aufeinander: Naturstein neben Putzfassade, verglaste Schaufensterfront neben Fenstern mit Theatermotiv. Was auf den ersten Blick widersprüchlich scheint, wurde von dem Kölner Architekturbüro Erlen und Partner (heute: ERA Part GmbH ErlenRuffenArchitekten) zu einem einheitlichen Gebäudekomplex zusammengefügt. Die neu errichteten Gebäudeteile aus den 1980er Jahren umschließen eine Gründerzeitfassade mit historistischen Elementen, die nur als Vorhangfassade erhalten geblieben ist.
Weiterführende Literatur:
Petsch, Joachim: Architekturströmungen der Gegenwart in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel der Bundeshauptstadt Bonn, in: Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 33 (1987), S. 320-324.
Blumenhof
von Helena Kuhlmann
Die Architekturen der Wohnanlage am Blumenhof und des Gebäudekomplexes am August-Macke-Platz, welcher den Bonner Kunstverein mit der Artothek und das Künstlerforum Bonn beherbergt, bilden ein anschauliches Architekturensemble mit einigen postmodernen Elementen. Die unterschiedlichen Architekturen entwickeln einen Dialog miteinander: Sie rekurrieren auf Architekturikonen sowie ihren Standort und seine Geschichte und erzählen vom Bezug auf ihre Funktion.
Links neben dem August-Macke-Platz trifft man auf den Eingangsbau des Backsteinkomplexes am Blumenhof, die durch das mittige Tor betreten werden kann. Er gliedert sich in die nebenliegende Bebauung der Straßenflucht; will sich dieser nicht entziehen oder über sie erheben. In dem zurückspringenden Halbkreis und den Säulen mit Arkadengang kann man die typisch postmoderne Vielstimmigkeit verschiedener und bewusst gewählter architektonischer Sprachen ablesen. ArchitekturenthusiastInnen erkennen möglicherweise die Ruinen der Hadriansvilla bei Rom als Referenz – die größte antike Palastanlage und Sinnbild römischer Dekadenz und Machtfülle. Oder die barocken Entwürfe Berninis für den französischen königlichen Stadtpalast, den Louvre in Paris, die jedoch nie ausgeführt wurden. Bonner BürgerInnen in den 1970er Jahren haben womöglich einen Anklang der Brühler Barockbauten darin erkannt, sicher aber die Referenz zur Wohnsiedlungsarchitektur im Sinne des Bauhauses. Die Geschlossenheit dieser suburbanen, modernen Wohnkonzepte wird in diesem Beispiel aufgebrochen, entsprechend des postmodernen Zeitgeistes zurück in die Urbanität der Stadt getragen und ihr angegliedert. Ironisch werden die Verweise auf antike bis neuzeitliche Herrscherpaläste und ihr Repräsentationsanspruch in dieses Spannungsfeld zwischen villa urbana und villa suburbana geführt.
August-Macke-Platz
von Helena Kuhlmann
Das Gebäude am August-Macke-Platz, welches heute den Kunstverein, die gkg und das Künstlerforum beherbergt, wurde 1984 nach Plänen von Haus-Rucker-Co. erbaut. Das Kollektiv wurde 1967 von Laurids Ortner, Grünter Zamp Kelp und Klaus Pinter gegründet, 1971 trat Manfred Ortner in die Gruppe ein. Nach den programmatischen künstlerischen Arbeiten und Interventionen in der frühen Zeit gehört der Umbau der alten Blumenhalle auf dem ehemaligen Marktgelände zu einer Ausstellungshalle für den Kunstverein und als Sitz des Künstlerforums und der gkg (Gesellschaft für Kunst und Gestaltung) zu den ersten eher kommerziellen Entwürfen. Doch weiterhin sprechen sie zentrale Anliegen ihrer bisherigen Arbeit an. Darunter die Auflösung der starren, tradierten Gattungsgrenzen in Kunst und Architektur, die Verbindung von Kunst und Leben sowie die Entauratisierung des Kunstobjekts.
Den ursprünglich freistehenden Bau der Blumenhalle integrieren sie in die Blockrandbebauung der Straße. Der hinter die Straßenflucht zurückspringende Eingang des Gebäudes wird durch eine Stahlkonstruktion über einem Vorhof erweitert, der den Pronaos eines antiken Tempels zitiert. Architekten des Historismus in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert wählten je nach Funktion des Gebäudes historische Bauformen, deren Zeit nach damaliger Vorstellung ein bestimmtes Gebiet zur Vollendung gebracht hatte. Für Museumsbauten bediente man sich daher am ehesten an griechischer Tempelarchitektur, da die Antike als wichtigster Bezugsrahmen der Kunst galt. Auch die Postmoderne zitiert gerne, aber nicht im Sinne einer historischen Überhöhung. Die Referenzen können hintersinnig, ironisch oder doppeldeutig sein – so wie hier mit dem Zitat eines Zitats. Für den Ausstellungsraum des Kunstvereins wurde ganz im Sinne der postmodernen gewachsenen Stadt mit der Verwertung älterer Bausubstanz die alte Blumenhalle umfunktioniert. Ein variables Wandsystem im Inneren ist pragmatisch an wechselnde Raumbedürfnisse anpassbar und steht programmatisch gegen starre Kunstauffassungen.
In beiden Bauwerken werden repräsentative, freistehende und auratische Architekturtypen zitiert, doch in die Straßenflucht und damit das Stadtgefüge integriert. In jeweils eigener Weise machen sie den postmodernen Paradigmenwechsels von der funktionalen Trennung der Lebensräume zur Reintegration von Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Bildung und Erholung wirksam.
Blumenhaus Möhle, Kölnstrasse 486
von Allegra Laura Bartsch, Julia Krings
Pflanzentöpfe auf rollbaren Stahlregalen, Markisen mit der Aufschrift Grabpflege und ein nicht zu übersehendes DHL-Schild schmücken die an eine Kirche oder einen Tempel erinnernde Front des wohl eindrücklichsten Gebäudes unseres Stadtrundgangs. Das Blumenhaus wurde im Oktober 1984 von Willi Möhle im Zuge der Neugestaltung der Kölnstraße in Auftrag gegeben. Geplant und erbaut wurde es von dem Bonner Architekten Peter Riemann und bereits im Oktober 1985 fertiggestellt.
Bezugspunkte und Vorbilder für das ungewöhnliche Bauvorhaben waren die neoromanische Kapelle des Nordfriedhofs, dessen Verwalter Willi Möhles Vater war, sowie das monumentale Eingangstor, das nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg abgerissen wurde. Sie prägen das aktuelle Bild der Verkaufshalle – außen wie innen.
Der auf Granitsäulen ruhende Frontdreiecksgiebel trifft auf basilikal angelegte, niedrigere Seitenschiffe, die mit ihrer Glasfassade den Charme von südeuropäischen Markthallen aufnehmen. Doch was nach einer Art Flickenteppich historisierender Versatzstücke klingt, erzeugt ein in sich ruhendes, stimmiges Bild. Die Anleihen aus bekannten Bautypen fügen sich in diesem Bau harmonisch zusammen – auf kleinem Raum und kompakt angelegt, behauptet es sich in einer Reihe von Nachbarschaftsbauten ohne diese zu überstrahlen und in den Hintergrund zu drängen. Diese überraschend unprätentiöse Haltung führt sich im Innern fort: Betritt man die Blumenhalle mittig, wird die erwartete kompakte Innenraumwirkung durch das hohe, spitz zulaufende Mittelschiff direkt gebrochen. Der sanfte Lichteinfall von oben und der Duft von Blumen strahlen inmitten des emsigen Verkauftreibens eine pietätvolle Ruhe aus.
Außenhülle wie Innenraumkonstruktion bieten mit ihren architektonischen Anleihen gleich mehrere Aspekte eines postmodernen Baus – der durch das stimmige Gesamtbild veredelt wird.
Weiterführende Literatur:
Deutsches Architekturmuseum (Hrsg.): Jahrbuch für Architektur, 1987/1988, Braunschweig 1987.
BmBau/Bund Deutscher Architekten /Deutsches Architekturmuseum (Hrsg.): Ideen - Orte - Entwürfe, 40 Jahre Architektur in der BRD 1949 – 1990, Ausst.-Kat., 1990.
Erwähnung des Gebäudes in den Fachzeitschriften Naturstein (3/1986), Steinmetz und Bildhauer (3/1989) und in Band 5 von Bibliotecas Atrium de la Decoracion Comercial, Barcelona (Projekt 111, 1988).
Denkmalpflege und der Arbeitskreis für den Erhalt des historischen Stadtflügels
von Helena Kuhlmann
So wie KunsthistorikerInnen und DenkmalschützerInnen gerade beginnen, die postmoderne Architektur „wiederzuentdecken“, kam Ende der 1960er Jahre ebenfalls ein Interesse an damals ungeliebten Bauformen auf. Der wirtschaftliche Aufschwung der BRD in den ersten zwanzig Nachkriegsjahren war geprägt vom westlich orientierten Fortschrittsglauben. Das Auto bestimmte die Stadtplanung des Wiederaufbaus und der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft strukturierte die Städte wirtschaftlich. In einer „zweiten Zerstörung“ wurden alte Strukturen endgültig abgerissen; für breitere Straßen, Stadtautobahnen, Einkaufszentren, Banken und Versicherungen. Das Wohnideal war dagegen das suburbane Einfamilienhaus. Altbauviertel der Gründerzeit ab 1871 an den Rändern der Innenstädte galten als unmodern, waren meist baufällig und entwickelten sich zu so genannten „Problemvierteln“.
Ein Strukturwandel setzte vor allem mit der Gegen- und Subkultur der 1970er Jahre und ihrer Kritik der konsumoptimierten Stadtverwertung ein: Studierende erprobten neue Wohnkonzepte wie Wohngemeinschaften, für die sich die geräumige Altbauwohnung bestens eignete. Im Gegensatz zum standardisierten Wohnen wurden Authentizität, Urbanität und die Lebendigkeit gewachsener Stadtviertel zum Ideal. Mit ihrer Bonner Bundesparteizentrale in einer alten Stadtvilla in der Colmantstraße positionierten sich die Grünen für alle sichtbar und im deutlichen Gegensatz zu den etablierten Parteien innerhalb dieses Umbruchs. Die Gesamtheit dieser Entwicklungen schlugen sich schließlich auch auf den Immobilienmarkt nieder und die bis heute spürbare Gentrifizierung nahm ihren Anfang.
1971 stand der Deutsche Städtetag unter dem Motto „Rettet unsere Städte jetzt“ und die erste Ölkrise 1973 und die Massenarbeitslosigkeit taten ihr übriges für einen breiten kulturellen Stimmungswechsel: Es kam zu einer Rückbesinnung auf historische Werte – eine regelrechte „Heimat“-Euphorie setzte ein. Aus Protesten entwickelte sich eine Kultur der Bürgerinitiativen. Mit dem Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 wurden zahlreiche lokale Initiativen zum Schutz ganzer städtischer Ensembles angestoßen. In Bonn war der Arbeitskreis für den Erhalt des historischen Stadtgefüges, der 1972 aus dem Bonner Heimat- und Geschichtsverein hervorging und maßgeblich durch das Engagement der Bonner Historikerin Olga Sonntag getragen wurde, prägend für ein Umdenken. In den 1980er Jahren setzte eine neue Generation der StadtplanerInnen schließlich auf „Die Stadt der kurzen Wege“ und die Reintegration von Arbeit, Wohnen und Freizeit.
BBK und AG Mehr Kunst in Bonn
von Leonie Pietrovicci
Zu Bonner Hauptstadtzeiten ist eine lebendige Kunstszene entstanden, von der wir bis heute profitieren. Dazu beigetragen hat in den 80er Jahren u.a. der BBK (Bundesverband Bildender Künstler), der auf Bundesebene stellvertretend für Künstler:innen agierte und in Kulturfragen intensiv einbezogen werden wollte. Zudem waren die PIK (Privatinitiative Kunst) und der damalige Bundesinnenminister Gerhart Baum wesentlich beteiligt. Die Forderung des BBKs bezogen sich u.a. auf Themen der Sozialpolitik (Künstlersozialversicherung) sowie der Rechtspolitik (Urheberrecht). Durch diese Forderungen entstanden die VG Bild-Kunst und die KSK (Künstler-Sozial-Kasse, ebenso 1980 – vor dem Hintergrund der Forderung nach demokratischer Förderpolitik in künstlerischer Selbstverwaltung – die Stiftung Kunstfonds, die mit ihrem Sitz in Bonn noch heute bundesweit bildende Künstler:innen, Ausstellungsprojekte und Publikationen fördert. Auf kommunaler Ebene setzte sich die AG Mehr Kunst in Bonn für eine Weiterentwicklung der Kunstszene ein.
Während in den 80er Jahren eine Demokratisierung der Kunst und Kultur in Deutschland, bspw. durch den Museumsboom, vorangetrieben wurde, nahm auch die AG in Bonn Demokratisierungsschritte für die Kultur vor. Verbunden mit der lokalen Bonner Kunstszene (bspw. Galerien, Kunstverein und einzelnen Künstler:innen) konnten die zentralen Forderungen der AG aufgegriffen und realisiert werden. Dazu gehörte eine Artothek zum (privaten) Ausleihen von Kunstwerken sowie ein Stipendium für junge Künstler:innen aus dem Rheinland (beides vom Bonner Kunstverein), eine Ausstellungshalle (Bundeskunsthalle) sowie ein Stadtmuseum und ein Kunstpreis (vergeben vom Kunstmuseum Bonn). Die Demokratisierung der Kultur hatte schon Helmut Kohl 1982 in seiner Regierungserklärung thematisiert, die durch die Bemühungen der Gemeinschaft in Bonn umgesetzt werden konnte.
Weiterführende Literatur:
BBK Bonn 1974-1984. Eine Dokumentation, hg. von Ludwig von Winterfeld, Bonn 1984.
Kunstfonds e. V., Modell einer Förderung, Hrsg. Lothar Romain, Köln 1986.
Friedrich-Ebert-Stiftung/Archiv der sozialen Demokratie
von Theo Wilken
In den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik war ein Ausbau Bonns zunächst unerwünscht. Weil jedoch die Einheit Deutschlands in den folgenden Jahren weiter in die Ferne rückte, wurde die Provinzstadt am Rhein vom Provisorium zur vorläufigen Hauptstadt. Bonn wuchs in der Folge rapide: Auf einen Schlag erweiterte sich das Stadtgebiet 1969 mit dem Raumordnungsgesetz von 32 km² auf 137 km², hauptsächlich durch Eingemeindungen. Den Startschuss zum Ausbau des Regierungsviertels gab die Einweihung des Abgeordnetenhauses, bekannt als „Langer Eugen“, im Frühjahr 1969. Die Hauptstadtvereinbarung von 1975 verlieh dem Ausbau des Regierungsviertels zusätzliche Dynamik und entlang der Godesberger Alle entstanden immer mehr neue Bauten.
Der schrittweise Ausbau des Regierungsviertels lässt sich am Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung ablesen. Der Bau setzt sich aus drei nacheinander entstandenen Flügeln zusammen. Die gläsernen Säulengänge mit spitz zulaufendem Dach wurden entworfen, um die ursprünglich alleinstehenden Gebäude miteinander zu verbinden. Was die Gebäudeteile optisch eint, sind die Fassaden aus roten unverputzten Klinkersteinen und die weißen Fensterrahmen.
Der älteste Gebäudeteil, rechts des Eingangsportals, wurde von Joachim Steinecke entworfen. Das dreigeschossige Bürogebäude mit rechteckigem Grundriss öffnet sich nach innen in zwei Binnenhöfe. Auffällig sind die breiten rechteckigen Fenster. Im Sommer 1969 konnten das Archiv der sozialen Demokratie und die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre neuen Räumlichkeiten beziehen.
In den 1980ern sollte das Stiftungsgebäude erweitert werden. Das Offenbacher Architekturbüro Novotny & Mähner setzte seine Pläne in zwei Bauabschnitten um.
1984/85 wurde ein Bürogebäude aus Klinkersteinen errichtet. Das Gebäude ist von außen kaum sichtbar. Es liegt auf dem hinteren Teil des Geländes. Der jüngste Bau wurde in den 1990er Jahren fertiggestellt. Er befindet sich links des Eingangsportals und unterscheidet sich von den anderen Gebäudeteilen durch den Abschluss der Mauern, die an Zinnen erinnern. Das Ensemble auf dem Gelände wird durch eine gründerzeitliche Villa aus dem Jahr 1922 komplettiert.
Von tempelartigen Säulengängen über breite rechteckige Fenster der Moderne bis hin zu Zinnen einer mittelalterlichen Burg sind viele Elemente vorangegangenen Epochen entlehnt, die ihrem ursprünglichen Kontext entnommen und in diesem Gebäude neu nebeneinandergestellt wurden.
Es ergibt sich ein postmodernes Potpourri an Architektursprachen. Versuchen Sie sich als Dolmetscher und lauschen dem Dialog!
Weitere Literatur:
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.): Vierzig Jahre Bundeshauptstadt Bonn. 1949-1989, Karlsruhe 1989.
Heidermann, Horst: Vorbedingungen und Überlegungen bis 1969, in: Das gedruckte Gedächtnis der Arbeiterbewegung. Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1999, Online-Version, URL: http://library.fes.de/fulltext/bibliothek/00699004.htm
Kerkoff, Winand: Bonn. Das Bundesviertel. Vom weißen Haus am Rhein zu Bonns neuer Mitte, Bonn 2020.
Zänker, Ursel/Zänker, Jürgen (Hrsg.): Bauen im Bonner Raum 49-69. Versuch einer Bestandsaufnahme, Düsseldorf 1969.
Konzerte/Clubs/Musikszene in Bonn
von Leonie Pietrovicci
Musik der 70er, 80er und 90er… wer regelmäßig Radio hört, hat auch als jemand, der später geboren wurde, eine Idee von der facettenreichen, internationalen Musikszene. Und fragte man Sie nach einer Liste neuralgischer Städte des damaligen Musikgeschehens – würden Sie Bonn aufführen? Nein? Das wäre ein Fehler! Wussten Sie, dass Freddy Mercury mit Queen im Muffendorfer Underground spielte? Die damals noch unbekannte Band hatte sich für das erste Konzert, das sie außerhalb von Großbritannien spielten, am 13. Oktober 1973 für Bonn entschieden. Queens Wahl war höchstwahrscheinlich dem Status der Hauptstadt sowie der großen Club- und Barszene in den 70er und 80er Jahren in Bonn geschuldet. Lokale wie das M8 – eine „winzig kleine“ Künstler:innenkneipe am Stadthaus war bekannt für elektronische Musik. Das Pawlow, dessen Geschichte knapp 60 Jahre zurückreicht, und das Bla, damals noch Blabla genannt, bestehen noch heute. Letzteres blieb in den 80ern als düsterer Punkrockschuppen, mit Öltonnen-Tischen und einer kleinen Bühne im Gedächtnis. In den Rheinterrassen - damals in Graurheindorf und mittlerweile abgerissen – wurden auch internationale Gäste empfangen, so wie die US-amerikanische Band Dead Kennedys, die für ausverkaufte Terrassen sorgten. Das Madox hingegen, dessen Raum von braunem Leder, Spiegeln über der Tanzfläche und Leopardenfiguren aus Porzellan bestimmt war, wurde schnell von den Punks erobert. Die vielen Live-Auftritte brachten Post-Punk und New Wave in den Club. Ebenfalls nennenswert ist das Neon, das durch die stylische Einrichtung mit weißen Kachelfliesen und Neonlichter die Bonner Antwort auf das Kölner Blueshell war, das Punkrock und Independent Music spielte. Der bekannte Szenetreff befand sich außerhalb der Clubs am Kaiserplatz, dem auch ein eigenes Lied gewidmet wurde. Das Kaiserplatzlied wurde erstmals auf dem Sampler Beethovens Rache 1988 von Bönnsche Töne veröffentlich, gesungen wurde es von der Bonner Punkband die Bonner Hartchöre.
Weiterführende Literatur:
Reaktionen auf GA-Bericht: Bonner erinnern sich an ihre Zeit in den Kultkneipen
Geschichte - Café Pawlow (cafepawlow.de)
Ein Dank an Andi Schneiders und Matthias Lange, für die reichhaltigen Informationen zur Bonner Szene.
Theaterarkaden
von Leonie Pietrovicci
Was macht einen Bau postmodern? Gutes Beispiel hierfür sind die Theaterarkaden gegenüber der Oper Bonn, die durch die rundum vorgestellten Säulen auf drei Seiten sowie das Logo im oberen Bereich der Front ins Auge stechen, das sinnbildlich für das Theaterspiel steht. Der Bau entstand in den 1980er Jahren durch den Bonner Architekten Ernst van Dorp, der die „Theatergaragen“ in die Planung integrierte. Van Dorp prägte verschiedene Gebäude in Bonn, darunter Schulen und Wohnanlagen (etwa in Tannenbusch (1970)), die postmoderne Aspekte aufgreifen und sich auch in den Theaterarkaden widerspiegeln. Der Kombinationsbau umfasst Restaurants, eine Saunaanlage, Büroräume und 78 Wohnungen mit angrenzender Dachterrasse auf drei Geschossen, die auf einer Seite an weitere Bauten anschließen. Das Gebäude sollte mit seiner geschwungenen Fassade an das alte städtische Gymnasium erinnern, das an der Doetschstraße stand und im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Schaut man genau hin, so kann man verschiedene architektonische Stile ausmachen, so auch klassizistische Elemente, die durch die Geradlinigkeit des Gebäudes nach oben und das abschließende französische Mansarddach ironisiert werden. Durch die stark vertikal geprägte Gliederung sollten die Theaterarkaden den Bonner Bürger:innen etwas „innerstädtisches Vertrautes“ vermitteln, das durch die rheinischen Ziegelsteine, die für den Eingang der „Theatergaragen“ (heute „Operngaragen“) verwendet wurden, verstärkt wird.
Weiterführende Literatur:
Pellens, Andreas: Ein Bonner baut. Ernst van Dorp – Bauen in Bonn und von Bonn aus, Bonn 2002.
Höroldt, Dietrich: Geschichte der Stadt Bonn. Band 4: Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794-1989, o.J.,o.S.
Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Heussallee 18-24
von Camilo Donneys, Johannes Grigoleit
Nach Jahrzehnten der Trennung der zwei deutschen Staaten zeichnete sich noch immer nicht ab, dass es auf absehbare Zeit zu einer Wiedervereinigung kommen würde. Im Bonner Regierungsviertel entstanden in dieser Zeit viele Neubauten, so auch die rheinland-pfälzische Landesvertretung. Nach Plänen der Kaiserslauterner Architektengemeinschaft AS Plan - Hauss, bekannt für ihre Hochschul- und Institutsbauten, z. B. in Potsdam, Mainz oder Heidelberg, wurde an der Heussallee zwischen 1988 und 1990 ein postmoderner Bau errichtet.
Warum postmodern? Die postmoderne Architektur bedient sich an historischen Baustilen und kombiniert sie auf neue Weise. Zwei miteinander verschränkte Glaswürfel sind durchzogen von quadratischen Streben, eine Fassade aus Steinwürfeln mit quadratischen Fenstern ist vorgeblendet. Im Eingangsbereich weicht die Fassade zurück und gibt den Blick auf den dahinter liegenden Glaskubus frei. Das einzige nicht quadratische Element des Baus ist die monumentale Säule links des Eingangs, die sich über zwei Stockwerke zieht und schließlich hinter der Fassade verschwindet. Sie zitiert antike Säulen, ohne sich in ihrer Schlichtheit jedoch auf einen bestimmten Typus zu beziehen. Auch scheint sie keine tragende Funktion zu besitzen. Stattdessen dient sie als spielerisches Element und bricht die quadratische Formensprache des Baus auf. Eine Glasbrücke an der rechten Seite verbindet den Neubau mit einer Gründerzeitvilla von 1912.
Heute befinden sich hier das Annemarie Schimmel Kolleg for Mamluk Studies der Universität Bonn (seit 2003) und seit 2011 auch das Universitätsforum als Sitz der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP).
Weitere Literatur:
Bredenbeck, Martin – Moneke, Constanze – Neubacher, Martin (Hrsg.), Bauen für die Bundeshauptstadt, Bonn 2011, S. 105-108.
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.wegderdemokratie.de/landesvertretung-rheinland-pfalz